Der gesellschaftliche Wandel der Bestattungs- und damit auch der Erinnerungskultur stand im Zentrum einer von Thorsten Benkel organisierten Tagung zu „Materialität und Präsenz“, die am 28. Oktober 2022 im Evangelischen Kirchenforum zu Berlin stattfand. Den Ausgangspunkt der Veranstaltung mit Expert:innen aus verschiedenen, vorwiegend wissenschaftlichen Bereichen bildete die Frage nach der Bedeutung von Materialität im Kontext der Trauer: Hilft es Hinterbliebenen, wenn ihnen nach dem Verlust eines geliebten Menschen etwas „zum Anfassen“ bleibt? Verläuft Trauer anders, wenn sie an Gegenstände gekoppelt wird? Und wie spielen in diesen Zusammenhang Innovationen wie der „Erinnerungsdiamant“ hinein?
Ursula Engelfried-Rave eröffnete die Veranstaltung mit einem Überblick über die Bedeutung von Reliquien, deren ursprünglich religiös konnotierte Bedeutung sich im Laufe der Zeit gewandelt hat. Auch profane Alltagsdinge können heute als „Kontaktreliquie“ fungieren. Thorsten Benkel fragte in seinem Beitrag nach dem Wesen der sozialen Bindung, die im Todesfall nur scheinbar durchbrochen, tatsächlich aber gerade durch die „Umwandlung“ von Gegenständen aufrechterhalten werden könne. Zu dieser theoretischen Betrachtung lieferte Miriam Sitter eine praktische Ergänzung, in dem sie anhand empirischer Beispiele aufzeigte, welche Rolle Materialität im Trauererleben von Kindern und Jugendlichen spielen kann. Vor dem Hintergrund soziologischer Forschungen zum Phänomen des „Erinnerungsdiamanten“ beschäftigte sich der Vortrag von Matthias Meitzler mit unterschiedlichen Faktoren, die relevant sind, wenn sich Menschen für – oder aber bewusst gegen – die Herstellung eines Edelsteins aus Kremationsasche entscheiden. Makoto Kashiwabara gab Einblicke in die Besonderheiten der japanischen Trauerkultur (wie etwa die Einbindung eines Hausaltars), während zum Abschluss der Fotograf Patrik Budenz praxisnah über das Verhältnis von Nähe und Ferne zu Leichen sprach, die in verschiedenen Kontexten (Tatort, Bestattungsinstitut, Rechtsmedizin) ablichtet. Das Programm wurde abgerundet durch den Besuch der Tagungsteilnehmer:innen in der sonst verschlossen gehaltenen Krypta der Parochialkirche. Ein Sammelband zur Veranstaltung befindet sich in Vorbereitung.